Unternehmer und Lehrer im Gespräch zum Tag der offenen Betriebstür

Foto Otto Künnecke GmbH, R. Busch

„Jugendliche sollten schon früh überlegen: Welche Stärken, welche Schwächen, welche Vorlieben habe ich?“

Tag der offenen Betriebstür Höxter-Holzminden-Beverungen-Bevern am 21.April 2018

Wann sollte man mit der Berufsorientierung beginnen? Wer kann dabei Hilfestellung leisten? Beim Tag der offenen Betriebstür, einer gemeinsamen Veranstaltung des Kreises Höxter, des Landkreises Holzminden und des Innovationsnetzwerkes Holzminden-Höxter, können sowohl Schüler als auch Eltern „Betriebsluft schnuppern“ und wertvolle Kontakte für die Zukunft knüpfen. Warum sollten sich Schüler und Eltern diese Veranstaltung nicht entgehen lassen? Diese und weitere Fragen zur Berufsorientierung beantworten Thomas Beineke, Geschäftsführer und Ausbilder des Autohauses Beineke, Hans Joachim Burbenker, Fachbereichskonferenzleiter der Johannes-Falk-Schule Holzminden und Martina Sakowski, Fachbereichskonferenzleiterin der Dr.- Jasper-Realschule Holzminden.

Herr Burbenker, Sie haben als Fachbereichsleiter langjährige Erfahrung bei der Berufswahl mit Eltern und Schülern. Sie stellt Schüler und Eltern vor eine große Herausforderung. Viele Jugendliche kennen ihre Stärken und Interessen noch nicht ausreichend. Was ist Jugendlichen bei der Berufswahl wichtig? Information oder praktische Erfahrung?

Hans-Joachim Burbenker: „Die Schulen arbeiten intensiv daran, dass Schülerinnen und Schüler ihre Stärken und Schwächen immer besser kennenlernen. Das beginnt mit einer verpflichtenden Potenzialanlayse in Klasse 7 oder 8 und setzt sich bis zum Ende ihrer Schullaufbahn durch vielfältige Angebote der Schulen fort. Nicht nur Praktika tragen dazu bei, auch Praxistage, Berufsfelderkundungen, Betriebsbesichtigungen, Berufsinformationstage usw. stärken die Jugendlichen in ihrer Kompetenz bei der Berufswahl. Der „Tag der offenen Betriebstür“ ist hierbei ein wichtiger Baustein bei der Berufsfindung, vor allem weil bei dieser Veranstaltung Eltern mit in den Prozess einbezogen werden. Um auf Ihre Frage zurückzukommen: Unseres Erachtens ist beides von großer Bedeutung – Information und praktische Erfahrung.“

Herr Beineke, Sie sind bereits seit 14 Jahren Geschäftsführer im Autohaus Beineke. In Ihrem Unternehmen mit zwei Standorten werden jedes Jahr bis zu sieben neue Azubis aufgenommen. Wie sind Ihre Erfahrungen mit potentiellen Auszubildenden: Wissen die Bewerber genau, was sie können und was sie interessiert?

Thomas Beineke: Es ist sehr unterschiedlich ausgeprägt, wie sehr sich unsere Bewerber mit den eigenen Fähigkeiten und Interessen auseinandergesetzt haben. Viele sind gut informiert, haben Praktika durchgeführt und wissen was sie wollen. Sie fühlen sich im Handwerk gut aufgehoben und erzählen uns, dass sie Spaß an Autos haben und keinen „einsamen“ Job wollen, sondern sich ein Team mit netten Kollegen oder auch Kundenkontakt wünschen. Der andere Teil unserer Bewerber hat noch diverse Fragezeichen im Kopf – dabei merkt man aber, dass jedes Bewerbungsgespräch die jungen Menschen weiterbringt.“

Wie kann man Jugendlichen die Berufsorientierung Ihrer Erfahrung nach erleichtern?

Thomas Beineke: „Meiner Meinung nach sollte die Berufsorientierung immer zweigleisig angegangen werden. Auf der einen Seite sollten die Jugendlichen schon früh überlegen: Welche Stärken, welche Schwächen, welche Vorlieben habe ich? Was macht mir wirklich Spaß? Was kann ich mir vorstellen „lange“ zu tun? Es ist gut, wenn Eltern, Lehrer oder auch die Agentur für Arbeit die bewusste Auseinandersetzung damit begleiten oder zumindest anstoßen. Zum anderen sind praktische Einblicke in möglichst viele und vor allem unterschiedliche (!) Tätigkeitsbereiche „Gold wert“. Meinen eigenen Töchtern werde ich – wenn sie alt genug sind – deshalb sehr ans Herz legen, so viel wie möglich Praktika, Nebenjobs, Ferienjobs, Unternehmensbesuche an Tagen der offenen Tür, den Girls&Boys-Day ecc. zu nutzen. Nur so kann man als junger Mensch eine gute Entscheidung treffen, ob man später Jahrzehnte lang lieber mit den Händen oder lieber am Bildschirm, lieber drinnen oder eher draußen, lieber allein oder besser in einem großen Team, lieber mit Kindern oder mit Erwachsenen, eher im Kontakt mit vielen Menschen oder lieber abgeschirmt arbeiten möchte.“

Frau Sakowski, in Ihrer Funktion als Fachbereichskonferenzleiterin diskutieren Sie sicher auch oft mit Jugendlichen das Thema Berufswahl. Wer ist wichtiger Meinungsbildner für die Jugend? In einer Befragung von Schülern der 9. Klassen (H!ER geblieben Studie von Jan Schametat) gaben 81,3 % an, bei der Berufswahl auf den Rat der Eltern, Freunde oder der Bekannten zu hören. Können Sie das bestätigen?

Martina Sakowski: „Aus unseren unterrichtlichen Erfahrungen und in Gesprächen mit Schülerinnen und Schülern zeigt sich immer wieder, dass die Jugendlichen in nicht unerheblichem Umfang auf den Rat – insbesondere von Eltern – hören. Die Prozentzahl von 81,3% aus der Studie erscheint uns durchaus realistisch. Ob es natürlich immer der „beste Rat“ ist, sei bezweifelt, da Eltern im Normalfall oft nicht über das breite Spektrum der beruflichen Möglichkeiten Kenntnis besitzen und meistens doch durch ihre eigene Biografie geprägt sind.“

Wie kann man den Eltern bei der Berufswahl Hilfestellung leisten?

Hans-Joachim Burbenker: „Eltern kennen häufig nur ihren unmittelbaren Wirkungskreis und sind bei einer umfassenden Beratung überfordert. Der „Tag der offenen Betriebstür“ ist hierbei sicherlich eine effektive und sinnvolle Möglichkeit, Eltern stärker in den Berufsfindungsprozess einzubeziehen. Sie können direkt vor Ort Firmen kennenlernen und mit Ausbildungsverantwortlichen ins Gespräch kommen und sich austauschen. Sie erfahren, welche Anforderungen an Jugendliche beim Eintritt in die Berufswelt heutzutage gestellt werden und sind somit auch ein wichtiger Partner bei der Entwicklung von Kompetenzen ihrer Kinder.“

Sowohl in Höxter als auch Holzminden werden Berufsinformationsmessen angeboten. Der Tag der offenen Betriebstür setzt bewusst darauf, dass die Schüler und Eltern in die Unternehmen kommen, um ein Gefühl für den Arbeitsalltag zu bekommen. Welche Vorteile und Nachteile hat diese Vorgehensweise aus Ihrer Sicht?

Thomas Beineke: „Der Riesenvorteil ist es, den Arbeitsplatz „im echten Leben“ zu sehen und mit Azubis ganz ungezwungen über deren Erfahrungen und den tatsächlichen Alltag im Ausbildungsberuf zu sprechen. Außerdem kann man mit Ausbildern, dem Chef der Abteilung oder des Unternehmens in lockerer Atmosphäre über die Möglichkeiten nach der Ausbildung sprechen. Das ist meiner Meinung nach sowieso ein ganz wesentlicher Aspekt bei der Berufswahl! Die Ausbildung selbst dauert nur einige Jahre, aber zu wissen, wo dann die Reise hingehen kann, ist doch das, was wirklich wichtig ist. Also: Wie kann man sich weiterqualifizieren? Welche Einsatzmöglichkeiten hat man in seiner Ausbildungsbranche? Was kann man vielleicht auch anderswo damit anfangen? Nachteile am Tag der offenen Betriebstür gibt es nicht.“

Jugendlichen ist heutzutage besonders wichtig, dass sie sich auch im Betrieb wohlfühlen. Frau Sakowski, wie sind Ihre Erfahrungen damit?

Martina Sakowski „Das „Schnuppern von Betriebsluft“ ist eines der wichtigsten Elemente bei der Entwicklung und Findung von Berufswünschen. Jugendliche lernen betriebliche Abläufe kennen und können sich viel besser vorstellen, welche Herausforderungen und Aufgaben später einmal an sie gestellt werden. Passt der Beruf zu mir und meinen eigenen Vorstellungen und Wünschen? Oft sind direkte Kontakte zu Unternehmen wie zum Beispiel beim „Tag der offenen Betriebstür“ der erste Schritt, sich konkret für ein Unternehmen zu interessieren. Im besten Fall entwickelt sich daraus einmal ein Ausbildungsverhältnis.“

Der Tag der offenen Betriebstür wird bereits seit einigen Jahren erfolgreich im Kreis Höxter durchgeführt. Bei der Veranstaltung lernen sich Schüler und Ausbilder kennen und daraus entstehen häufig Praktika. Welchen Stellenwert haben Schüler-Praktika in Ihrem Unternehmen?

Thomas Beineke: „Wir haben regelmäßig Schüler zum Praktikum bei uns, weil wir sehr gern zukünftige Azubis aus den Reihen unserer Praktikanten rekrutieren. Wer ein guter Praktikant bei uns war, dessen Bewerbung liegt bei der Auswahl von Azubis ganz oben auf dem Bewerbungsstapel. Wir bieten auch deshalb gerne Praktika an, weil wir die Jugendlichen von unserem Job und einer Karriere im Handwerk begeistern wollen. Viele haben gar keine Vorstellung davon, wie vielfältig die Möglichkeiten im Handwerk sind. Es gibt die verschiedensten Karrierepfade, Weiterentwicklungsmöglichkeiten und vor allem schon seit längerem einen großen Bedarf an gut ausgebildeten Handwerkern auf dem Arbeitsmarkt. Bei unseren Praktikanten ist uns allerdings sehr wichtig, dass der Schüler oder die Schülerin ein echtes Interesse an den Berufen im Autohaus hat. Man merkt sehr schnell, ob jemand nur „sein Pflichtpraktikum absitzt“ oder „mit uns Gas geben will“. Für die zweite Sorte nehmen wir uns immer gern Zeit.“

Wie wichtig sind Praktika für die Entstehung eines Ausbildungsverhältnisses?

Thomas Beineke: „Sehr wichtig! Wenn jemand schon mal ein Praktikum bei uns gemacht hat und sich dann um einen Ausbildungsplatz bewirbt, wissen wir, dass er oder sie sich wohl bei uns gefühlt hat. Wir können viel besser einschätzen, ob er oder sie gut ins Team passt. Wir haben dann auch schon einen guten Eindruck von so wichtigen Faktoren wie Motivation, Selbstständigkeit, Wissbegierde, sozialer Kompetenz und auch der handwerklichen Kompetenz. Wir schätzen es aber auch, wenn sich ein Bewerber schon in anderen Unternehmen als Praktikant umgeschaut hat. Das zeigt uns, dass sich der Bewerber gut mit seiner Berufswahl auseinandergesetzt hat. Ich bin überzeugt, dass es für alle Seiten ein immenser Vorteil ist, wenn der Alltag in der Ausbildung aufgrund einer guten Vorabinformation keine Enttäuschung wird.“

Worin sehen Sie als Ausbilder den Vorteil der dualen Ausbildung in einem Betrieb?

Thomas Beineke: „Die Zweigleisigkeit von „Praxis im Betrieb“ und „Theorie in der Berufsschule“ über die gesamte Ausbildungszeit hinweg empfinde ich als klaren Vorteil. Im Idealfall kann ein Azubi das frisch Gelernte dann immer direkt in der Praxis umsetzen oder andersherum in der Schule einbringen oder hinterfragen. Die Ausbildung in verschiedenen Abteilungen eines Unternehmens über mehrere Jahre hinweg lässt den Azubi sehr gut in die Arbeitswelt, ins Team und auch in die Vielfalt der Themen hineinwachsen. Ein Azubi im 3. Lehrjahr arbeitet bei uns schon sehr selbstständig mit und trägt Verantwortung. Ein duales Studium, das viele Unternehmen unserer Region ebenfalls anbieten, hat aus meiner Sicht die gleichen Vorteile. Die Chancen für eine feste Übernahme nach der dualen Ausbildung sind sehr gut, wenn die Leistungen in Berufs- bzw. Hochschule und Betrieb passen.“

Sich selbst kennen lernen und ausprobieren steht bei der Berufswahl im Mittelpunkt, außerdem früh praktische Erfahrungen im echten Arbeitsalltag sammeln, damit Jugendliche gut wissen, was auf sie zukommt. Die Veranstalter laden die Schüler der 8. und 9. Klassen der Georg-von-Langen-Schule (Berufsbildende Schulen Holzminden), Dr.-Jasper-Realschule Holzminden, Johannes-Falk-Schule Holzminden, des Campe-Gymnasiums Holzminden, Oberschule Bevern, Städtisches Gymnasium Beverungen, Sekundarschule Beverungen, Hoffmann-von-Fallersleben- Realschule Höxter und Sekundarschule Höxter und ihre Eltern am 21.April zum Tag der offenen Betriebstür ein.

Eine Anmeldung und Berufsfeldwahl ist noch bis zum 15.02.2018 möglich unter:

https://www.surveymonkey.de/r/HX-HOL_2018